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“Die Russen als größte ethnische Minderheit in Lettland”, Sabine Moore

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Überblick

In diesen 6 Comics-Seiten stelle ich mich vor spreche über meine persönlichen Erfahrungen: in Lettland geboren, im Ausland aufgewachsen und wegen meiner Studien nach Lettland zurückgekehrt. Soweit zu  meinem kulturellen Hintergrund. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen die Kultur- und Sprachbarrieren zwischen der autochthonen lettischen Bevölkerung und den Lettland-Russen. Ich gehe kurz auf die komplizierte Geschichte von Lettland bis zur nicht weniger komplizierten Gegenwart ein. Ich spreche über die russischen Immigranten in Lettland und gehe dabei von meiner Lebenserfahrung in diesem Land aus. Die Situation ist so, dass es schwierig sein kann, öffentlich darüber zu reden; die Personen nehmen oft extreme Standpunkte ein. Am Schluß des Comics komme ich zu dem Ergebnis, daß jede Veränderung Zeit braucht, aber etwas hat bereits begonnen.

Bio

Zur Zeit studiere ich visuelle Kommunikation an der Lettischen Akademie der Künste und habe gerade die Kunstoberschule “Janis Rozenthal” in Riga abgeschlossen.

Tabelle 1

1. Hallo, ich heiße Sabine. Meine Kindheit habe ich in Großbritannien verbracht. Ich bin lettischer Herkunft. Der zweite Ehemann meiner Mutter ist Australier.

2. Im Moment lebe ich in Lettland. Ich spreche korrekt Englisch und ich weiß, was es bedeutet, “anders” zu sein und zu fühlen.

3. Ich habe positive Erwartungen an alle Menschen, egal welcher Nationalität. Ich habe mit unterschiedlichen Personen aus verschiedenen Ländern gearbeitet, studiert, gelebt.

4. Ich spreche korrekt das Lettische und etwas Russisch.

5. Aber es gibt Lettland-Russen, die mich etwas einschüchtern.

6. Das negative gegenseitige Verhalten hat seinen Ursprung in der unterschiedlichen Interpretation der Geschichte und in der fehlenden Kommunikation.

7. Meine lettischen Großeltern haben besondere Ansichten über die Russen.

 

Tabelle 2

8. In Lettland tendieren die über 60jährigen zu der Ansicht, die Russe seien “häßliche” und stark nationalistisch eingestellte Menschen. Man glaubt, vor dem II Weltkrieg sei Lettland ein freies, reiches Land mit einer blühenden Wirtschaft und einer starken nationalen Identität gewesen.

9. Nach dem II Weltkrieg erhob die UdSSR Anspruch auf Lettland als Teil der Sowjetunion. Die Situation veränderte sich. Es wurden Menschen deportiert. Die UdSSR führte das Russische als wichtigste Amtssprache im gesamten Gebiet der Sowjetunion ein. Eine große Anzahl von russisch sprechenden Menschen siedelte nach Lettland über. Um für die Neuankömmlinge mehr Platz zu schaffen wurden die existierenden lettischen vereinnahmnt, so dass mehr Personen darin Platz fanden. Es herrschte eine allgemeine Angst.

10. In Wirklichkeit lebten auch vorher Russen in Lettland. Die erste Einwanderungswelle kam im 18. Jahrhundert, als der russische Zar das lettische Gebiet als nützichen Zugang für den Handel anerkannte.

11.  Aber nicht vorher. Es handelte sich um Eindringlinge. Egal was einige Russen darüber denken.

12. Soweit zur Geschichte. Meine Eltern hatten keinen speziellen Standpunkt was die Russen betrifft.

13. Sie mussten die Sprache in der Schule lernen und  beherrschen nach wie vor perfekt sowohl das Russische als auch das Lettische. Viele meiner Freunde sind Halbrussen oder in russischen Familien aufgewachsen.

14. Statistisch gesehen gehören 40% der Einwohner von Riga, der Hauptstadt Lettlands, der russischen Ethnie an.

15. Unterwegs in Riga… werde ich oft nach dem Weg oder ähnlichem gefragt. Wenn man nicht in perfektem Russisch antwortet, wird man oft einfach stehen gelassen.

 

Tabelle 3

16. Die Russen, die eine andere Lebensgeschichte haben, gehen auf russische Schulen, hören russische Musik, sehen russisches Fernsehen und studieren die russische Geschichte.

17. Eines der größten Probleme ist, dass diese Personen die Letten auf diese Weise auslöschen. Ich finde diese Situationen frustrierend. Ich hätte helfen können.

18. Es ist, als seien sie von uns abgekoppelt.

19. Sie verwenden soviel Energie darauf, um sich zu besinnen, wer sie sind, wer ihre Großeltern waren, so dass ihnen wenig Energie verbleibt, um vorwärts Schritte zu machen. Natürlich sprechen die Lettland-Russen ihre Sprache mit einem anderen Akzent als diejenigen, die in Russland leben.

20. Da ich als “halbe Fremde” aufgewachsen bin und einen Versuch mehr machen muss, um akzentfrei lettisch zu sprechen, gelingt es mir, mit Russen Kontakte zu knüpfen.

21. Im normalen sozialen Kontext jedoch ordnen mich die meisten mir unbekannten Russen im Geiste als “Lettin” ein (unsichtbare Grenze).

 

Tabelle 4

22. Im allgemeinen jedoch halten sie eine gewisse Distanz zur europäischen Kultur und Geschichte, ausser wenn sie auf Reisen sind.

23. Als Turisten in den Ferien sind sie sehr lebhaft und aufgeschlossen. Aber in Lettland bleiben sie unter sich.

24. Nicht alle Russen haben dunkle Haare und nicht alle Letten sind blond. Naja, meine lettischen Vorfahren waren jedenfalls alle blond, das ist auch der Grund, weshalb es mir so leicht fällt, mir die Haare blau zu färben.

25. Ha.

26. Es gibt soviel Rassismus.

27. Ich glaube wirklich, alles was wir brauchen ist Zeit.

 

Tabelle 5

28. Die Situation ändert sich allmählich…

29. Als Ergebnis der Schulreform muss 60% des Stoffes in lettisch unterrichtet werden. Die jungen Leute sind bilingual.

30. Ob autochthone Letten oder Russen, es ist einfacher Arbeit zu finden, wenn man beide Sprachen spricht.

31. So … habe ich Zeit gebraucht, um Lettisch zu lernen, aber mein Russisch ist nicht gut genug, um in einem Café zu arbeiten.

32. Es ist nicht wichtig, perfekt Englisch zu sprechen.

33. Es gibt eine Sprach- und Kulturbarriere zwischen Letten und Lettland-Russen, die Kommunikation erschwert und negative Stereotypen schafft.

34. Wir werden unsere Geschichte überwinden.

 

Tabelle 6

35. Nun sind wir dabei, eine neue Geschichte zu schaffen.

36. Auf dieser Welt treffen wir immer öfter auf “dunkle Zeiten” … Die dunklen Zeiten gehören der Vergangenheit an.

37. Wir können lernen aufzuhören, uns gegenseitig nach unserer Nationalität zu beurteilen, und stattdessen auf unseren persönlichen Charakter zu schauen, wie es alle anderen tun.

38. Wir haben denselben Paß, dieselbe Fahne, dieselbe Natur!

39. Ich glaube, unser Verhältnis wird sicher besser werden.

40. Aber es braucht etwas Zeit.

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